Prohlis Bingo, drei Fragen und eine Schreibwand

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Foto:Yvonn Spauschus

Prohlis Bingo, drei Fragen und eine Schreibwand

Diesen Text habe ich für Kultur Aktiv e.V. im Projekt Dresdner Nachbarschaften geschrieben

Das sind drei der vielen Optionen, die sich Anna, Marie und Sarah ausgedacht haben, um zu erfahren, was Bürger von einem Bürgerhaus erwarten, was eine solche Einrichtung haben muss, wer sie besuchen würde bzw. sich auch regelmäßig dort treffen wollte oder es auch als Co-Working Space nutzen möchte.

Der Konjunktiv der Möglichkeiten soll im Laufe der kommenden zwölf Monate Realität werden. Valentina Marcenaro, Leiterin der JKS, Jugendkunstschule, bleibt optimistisch. „Auch wenn die Prozesse in der Stadt nicht so schnell realisiert werden, ist es doch eine solide Basis, auf der das Projekt steht. Es wäre auch möglich gewesen, einen freien Träger für das Bürgerhaus zu finden. Doch so erscheint es uns auch für die Zukunft berechenbarer.“ Valentina hat Prohliser und Gäste in den Garten des Palitzschhofes zum Sonntagsplausch eingeladen. Sie hofft, dass im Herbst die neue Stelle für das Bürgerhaus besetzt ist und auch bald ein Techniker seine Arbeit für die Bürger dort beginnen kann. Geplant sind ein großer Saal für etwa 100 Personen und mehrere kleinere Räume für Treffen oder Veranstaltungen, zum Arbeiten oder für Vereine.

Vom Palitzschhof geht der Blick über die Bürgerhausbaustelle direkt auf das dahinter liegende Hochhaus. Was interessiert die Menschen, die dort wohnen? Wie oft werden sie das Angebot direkt vor der Haustür annehmen? Antworten auf diese Fragen bringt die Zukunft. Antworten auf die drei Fragen des Prohlis-Spaziergangs geben wir uns.

Warum trefft ihr euch gern dort, wo ihr euch trefft?

Dafür gibt es nicht die Antwort. Manchmal werden an diesen Treffpunkt Erinnerungen geknüpft und manchmal liegt er nur verkehrstechnisch für alle günstig. Es passiert allerdings auch schon einmal, dass wir uns genau dort treffen, weil man schnell und gut vor einem Konzert noch etwas Essen oder Trinken kann. Der Ort ist besonders ruhig. Der Ort ist besonders cool. Der Ort ist besonders …für uns.

Dort ist es gemütlich oder man kann prima Leute gucken. An diesem Ort sind auch sonst Leute, die man gerne mag. An diesem Ort wird nicht blöd geguckt, es gibt W-LAN und man kommt auch spät noch gut nach Hause. Und die wichtigsten Gründe stehen gewiss noch nicht hier.

Wie stellst du dir einen Ort vor, in dem du etwas Neues lernst?

Neues im Sinne von eine – gute – Erfahrung – machen, dann inspirativ, fantasieanregend, überraschend.

Neues im Sinne von Weiterbildung, Studium, dann sicher ergonomisch gut gestaltet, ruhig, mit frischer Luft, frischem Kaffee und frischem Wasser. Gedanken wollen sich fließend wiegen, sonst wird das nichts mit der Erkenntnis.

Neues im Sinne von generell neu, dann geht das immer und überall und auch in alle Richtungen, wobei nicht alle gewünscht und bestellt sind.

Wenn du einen neuen Ort betrittst, worauf achtest du als erstes?

Einer hat mal gesagt, auf den Fluchtweg. Darauf wäre ich nie gekommen. Déformation professionnelle oder ganz ganz schlechte Erfahrungen. In fremden Städten ist ein hoher Turm zum Überblickverschaffen ganz nett. Werden an diesem Ort Erinnerungen wach oder Sehnsüchte? Das erste ist sicher ein Gefühl und das entsteht, noch bevor wir es aussprechen und aufschreiben können.

 

 

Apropos: Aufschreiben an der Schreibwand

Zum Zeitpunkt des Prohlis-Spaziergangs stand die Schreibwand gerade einmal eine Stunde auf der Wiese vor dem Palitzschhof und dem künftigen Bürgerhaus. In Arabisch, Deutsch und Russisch kann sofort gelesen und geschrieben werden, was man sich für das und von dem Bürgerhaus wünscht. Der QR-Code führt zur englischen Version. Also, Versteh-Schwierigkeiten wird es wenige geben. Man kann es im Vorbeigehen erledigen und anonym. Anna, Marie und Sarah wissen, dass es möglich ist, dass nicht jede Wortmeldung … doch sie setzen ganz stark auf die starken Bürgerinnen und ihre klaren Worte. Die Wand steht bereit, einen Monat lang alle Bürgerwünsche aufzunehmen, damit das Konzept Bürgerhaus von Bürgern für Bürger komplettiert werden kann.

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Eigentlich müsste man an jeder Haustür klingeln

Dresdner-Nachbarschaften

Foto:Yvonn Spauschus

Eigentlich müsste man an jeder Haustür klingeln

Diesen Text habe ich für Kultur Aktiv e.V. im Projekt Dresdner Nachbarschaften geschrieben

Obwohl Laura das mit dem Klingeln in diesem Jahr nicht schafft, ist sie optimistisch, dass das kleine Fest im Innenhof des Quartiers Florian-Geyerstraße – Elisenstraße in der Dresdner Johannstadt Tradition werden wird. 2022 hatte sie die Initiative ergriffen, ein Treffen zu organisieren, damit sich die Nachbarn als solche auch einmal kennenlernen. Zwar grüßt man sich, aber ansonsten ist und bleibt man anonym in der direkten Umgebung hunderter anderer Mieter.

Brigitte Glodschei findet das auch nicht gut. Sie wohnt nun schon fast 30 Jahre hier und irgendwann erzählte sie Laura von früher und dass es durchaus einmal üblich war, dass sich die Nachbarn trafen, um zu feiern, sich zu unterhalten und auch zu helfen. Und schon hatte Laura, die 2016 aus Litauen nach Dresden kam, ihren Kontaktmenschen in Brigitte gefunden, die wiederum italienische Wurzeln hat. Italien, Temperament, Klischee, nun, in diesem Fall stimmt es. “Ich habe immer gekämpft”, sagt Brigitte und lächelt dabei nicht etwa süßsauer, sondern ganz offen. Manch einer verbittert, wenn das Leben ein großes, schweres Ringen ist. Brigitte lebt ihr Leben, wie es ist und steckt mit ihrer Energie alle an. Dem einen bringt sie Ketchup zur Bratwurst, der anderen einen freundlichen Gruß und sich selbst einen neuen Teller.

Das Grillen hat Felix, Lauras Mann, übernommen. Die Schlager-Mugge kommt vom hauseigenen DJ, die ein und andere Biertischgarnitur von der Wohnungsgesellschaft.

Laura und Brigitte haben es geschafft, so viele wie möglich an diese Tische zu holen, die in der Johannstadt aktiv sind. Dazu gehört der Kulturtreff genauso wie Café für alle.

Auf der Wiese werden gemeinsam Spiele gespielt, Kuchen und Bratwurst duften, die Musik dringt mindestens bis zur 10. Etage und es ist ein warmer Tag. Die Fenster sind offen, die Herzen auch bald. Ganz bestimmt.

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Wo sich Fuchs und Nachtigall “Gute Nacht” sagen

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Wo sich Fuchs und Nachtigall “Gute Nacht” sagen

Diesen Text habe ich für Kultur Aktiv e.V. im Projekt Dresdner Nachbarschaften geschrieben

Darauf waren einige neugierig, das zu erfahren. Mit Kind, Kegel und Fahrrad kamen rund 30 Interessierte, um sich bei einem Rundgang durch das Schweizer Viertel der Dresdner Südvorstadt die neuen Förderziele zeigen und erklären zu lassen.

Seit den 90er Jahren sind für 20 Gebiete in Dresden rund 350 Millionen investiert worden, um Urbanität und Gemeinschaft zu fördern. Dazu gehören u.a. die Äußere Neustadt, Friedrichstadt, Pieschen und nun kommt auch die Südvorstadt dazu.

Vor drei Jahren hatte die Stadt begonnen, in elf Gebieten zu recherchieren, wo genau die Herausforderungen liegen und ob ein sogenannter Aufwertungsbedarf besteht, sagt Tobias Voigt aus dem Amt für Stadterneuerung. 2021 haben dann noch einmal etwa 400 Bürger an einer Onlinebefragung teilgenommen. Daraus ging hervor, dass sich die Leute auseinanderleben, ein Treffpunkt fehlt, es im Quartier eine hohe Anzahl Langzeitarbeitslose gibt und die Herausforderungen der Migration alleine nicht bewältigt werden können, so Voigt.

Bis 2032 werden demnach 14 Millionen Euro ganz konkret in ein Programm zur Aufwertung des Viertels und zur Wiederbelebung des sozialen Zusammenhalts investiert. Die Südvorstadt bekommt einen Quartiersmanager, ein Büro dafür und neue Orte der Begegnung.

Es wird z.B. an einen Gemeinschaftsgarten an der Ecke Wielandstraße/Hohe Straße gedacht. Dort hört man schon erwähnte Nachtigall und Meister Reinecke streift durch die Stadtwildnis.

Anwohner berichten, dass diese Ecke zurzeit auch leider oft zweckentfremdet zur Notdurft herhalten muss. Das macht energisch auf das Problem aufmerksam, dass es nicht nur genug verkehrsberuhigte Erholungsorte gibt, sondern dort dann auch zu wenig stille Örtchen.  Und Tobias Voigt ergänzt ein drittes. “Wenn wir Fördergelder bekommen, dienen sie der Herstellung, Installation neuer Projekte, nicht deren Betreibung.” Würde jetzt also das so wichtige Örtchen installiert, muss es auch betrieben werden und diese Kosten kämen aus einem anderen, unbekannten Topf.

Alles noch Zukunftsmusik, aber die Instrumente dafür werden schon gestimmt. Gemeinsam mit dem Ausländerrat, der regelmäßig die Innenhöfe der Budapester Straße besucht, wird auch an Ideen gearbeitet, wie die Migration besser gelingen kann und ein Miteinander entsteht, in dem man sich immer besser versteht.

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Bevor wir Nachbarn werden

Technische_Sammlungen

Bevor wir Nachbarn werden

Diesen Text habe ich für Kultur Aktiv e.V. im Projekt Dresdner Nachbarschaften geschrieben

Formal ist das schnell geschehen. Wohnungen werden vergeben. Mieter ziehen ein. Sie sind sich fremd als Nachbarn. Oft erkennt man sich außerhalb des Hauses nicht. Und in vielen Fällen bleibt das jahrelang so. Jährlich meistern rund 20.000 bis 25.000 Menschen diese Situation als nationale und internationale Neuankömmlinge in Dresden.

Das physische und das emotionale Ankommen sind in Dresden oft zwei Paar Schuh und es soll sich zum konstruktiven, schöpferischen, angenehmen Miteinander entwickeln.

Aus diesem Grund stellte Roland Schwarz, Direktor der technischen Sammlungen in Dresden, großzügig seine 5. Etage für ein World Cafe’ zur Ideenfindung zur Verfügung. Es ist ja auch ein großes Thema. Viel wird darüber diskutiert in der Bahn, am Stammtisch, bei Demos. Laut wird es auch manchmal. Doch wenn Augen, Ohren und der Geist offen sind für Fragen und Ideen, wenn Bundes- und Kommunalpolitiker da sind und sich Zeit nehmen, wenn Mikrofone und Stifte bereitliegen, sind nur wenige Nachbarn an Nachbarn interessiert.

Für Jürgen Dudeck vom Runden Tisch für Senioren und Menschen mit Behinderung ist Nachbarschaft wichtig für Demokratie, weil es viele Spannungen gibt, die gelöst werden wollen. Das Rathaus ist oft nicht der geeignete Ort, Dinge anzusprechen, hört man aus dem Verein Pro Pieschen. Entweder hagelt es Ablehnungen oder man bekommt gar keine Antwort, weiß die Vertreterin und gibt auf, ein Sonnensegel für den Sandkasten eines Spielplatzes zu beantragen.

Was seit 15 Jahren recht gut funktioniert, ist das Mehrgenerationenhaus des riesa efau. Ab 2023 gibt es ganz konkrete monatliche Nachbarschaftsaktionen, den Fördergeldern sei Dank. Dazu gehören Kiezfrühstück mit Flohmarkt, Kiez-Ping-Pong, Pflanzentausch oder auch die Erzählbank im Hof des riesa efau. Doch eins ist Fakt, sagt Beate Neuber: ”Das Problem der Einsamkeit wächst.”

Wenn man es nicht möchte, muss man mit niemandem reden, denn digitale Helfer gibt es überall.

Kommuniziert wird über soziale Medienplattformen, schriftlich und mit Icons, wenn´s mal intensiv werden soll, Einkaufen geht an der SB-Kasse schneller, im Haus geht’s auf und ab mit dem Aufzug.

Doch wenn der mal defekt ist, spricht man durchaus auch länger an und vor der Haustür. Jemanden zum Reden hineinbitten, etwa zum Tee oder Kaffee – eine ganz neue Option😊

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Einmal im Jahr mitten im Strom

Elbeschwimmen

Einmal im Jahr mitten im Strom

Diesen Text habe ich für Kultur Aktiv e.V. im Projekt Dresdner Nachbarschaften geschrieben

Elbeschwimmen fetzt. Am ersten Sonntag im August treffen sich Schwimmbegeisterte mit und ohne Kostüm, mit und ohne Badeschuhe, um vom Blauen Wunder bis nach Johannstadt 3,5 km stromabwärts zu schwimmen, zu trudeln, das Wasser zu genießen. Manchmal und bei schönem Wetter erklingt auch vom Elbufer gegenüber Musik über den Fluss. Das macht Laune, zwischen den knapp 2.000 Verrückten, die bei wirklich jedem Wetter über die glitschigen Steine in die Mitte stolpern. Zur Freude der Bademeister unter uns, hier wird nicht gerannt. Besser ist das.

Anfangs fuhr noch ein Ausflugsdampfer ganz vorsichtig an uns vorbei. Da fühlst du dich im Moment winzig klein in den Wellen.

Inzwischen wird die Schifffahrt bis 11 Uhr gestoppt. Das passt auch so weit. Die Schnellsten sind nach 25 Minuten wieder an Land, am Bier und an der Echten Thüringer, die Letzten nach etwa einer Stunde.

Als sich Dresden um die Kulturhauptstadt beworben hatte, hatten wir alle gelbe Badekappen auf. Lustige Luftbilder garantiert.

2023 waren nicht ganz so viele Zuschauer auf der Waldschlößchenbrücke. Leichter Nieselregen, 15 Grad Lufttemperatur und 20 Grad im Wasser, das war für Hochsommer schon ungewöhnlich.

Doch eins ist sicher, die Bratwurst danach schmeckt himmlisch und alle strahlen sich an und freuen sich schon auf das nächste Jahr.

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Plattenwechsel by Utopolis

Plattenwechsel

Plattenwechsel by Utopolis

Diesen Text habe ich für Kultur Aktiv e.V. im Projekt Dresdner Nachbarschaften geschrieben

Wie können Kunst und Kultur für das Zusammenleben in Stadtteilen genutzt werden? Vier Jahre lang lief dieses bundesweite Projekt Utopolis an mehr als zehn Standorten, so u.a. in Hamburg, Bremen, Berlin und in der Dresdner Johannstadt. Am 01. September 2023 war das große Finale. Eine lustig bunte Karawane zog durchs Viertel. Plattenwechsel heißt das Johannstädter Projekt. Es heißt so. Präteritum verbietet sich nahezu, denn alles, was in Eigeninitiative, ehrenamtlich und mit ganz viel Herzblut hier entstanden ist, sollte sich nicht wieder auflösen zur Utopie, einem Nicht-Ort, wie uns das Altgriechische lehrt.

Zur Karawane schlossen sich an diesem Freitag Lorenz und Marcus vom Impro-Theater Yes-oder-nie! an und improvisierten eine sehr lustige Stadtführung. Während des Projektes Plattenwechsel haben sie mehrfach mit insgesamt rund 40 Leuten persönliche, berufliche und auch nachbarschaftliche Themen improvisiert. “Menschen begeistern sich selbst mit Interesse, Leidenschaft, Überraschungen. Aus einem Verblüfftsein entsteht etwas Improvisiertes”, beschreiben die beiden ihre sich selbst immer wieder überraschende Arbeit.

Mit Handwagen und Zeitung begleitete auch Gerd Gottwald die Karawane. Er hat im Plattenwechselzyklus sieben Stadtteilzeitungen veröffentlicht. Der “Zeilenmann” Gerd verteilt mit Stolz seine Zeile 7. “Viele finden die Zeitung gut. Einige wollten auch etwas schreiben. Leider blieb es dann beim “hätte hätte”. Doch eins hat er auf jeden Fall erreicht: die Zeile ist bekannt und hat zum Projektabschluss sogar ihre eigene Litfaßsäule bekommen. Dem Internet sei Dank, ist traditionelle analoge Werbung günstig geworden. Aus Sicht des Zeilenmannes sind Essen und Trinken die besten Dinge, Menschen aus der Einsamkeit zu holen. Essen und Trinken und Musik.

Und schon sind wir an der nächsten Station, an der der Plattenfrauenchor alle zum Mitmachen und Mitsingen einlädt. Es ist ja bekannt, böse Menschen haben keine Lieder.

Mit weißem, gelbem und rotem Tonmehl malen wir schließlich am Spielplatz alles Mögliche auf die Gehwegplatten. Der nächste Regen nimmt die Farben wieder mit und Projektleiterin Anja wird wehmütig: ”Wenn Klang und Kunst die Herzen erreicht haben, ist das Projektgeld alle.”

Deshalb ganz schnell hier an dieser Stelle der Hinweis auf die Webseite des Bundesprojektes. Hier sind so viele Tools zusammengestellt, dass niemand Langeweile haben muss und schöne Ideen nicht wieder eingehen.
Toolbox – Utopolis

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Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre

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Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre

Diesen Text habe ich für Kultur Aktiv e.V. im Projekt Dresdner Nachbarschaften geschrieben

…würde ein neues Wohnprojekt für Null bis Hundertjährige wahrscheinlich von Null auf 100 in wenigen Tagen durchstarten. Kann es aber nicht, weil ein Grundstück fehlt. Gesucht werden rund 6.000 Quadratmeter, bebaut oder unbebaut für etwa 120 Personen oder mehr aus drei Generationen.

Bis Ende des Jahres wird die zweite Modellplanung abgeschlossen sein. Die Genossenschaft hat ein Architekturbüro beauftragt. Die Genossenschaft, das sind im Moment 35 Personen im Alter zwischen 50 und 60, die Generation 2. Mit Generation 1 sind in diesem Projekt Familien mit kleinen Kindern gemeint, mit Generation 3 alle über 70.

Interessenten gibt es. In Sachsen geborene möchten zurückkehren, junge Familien, deren Eltern weit weg wohnen, Alleinerziehende aus der Umgebung. Doch wie lange kann man warten?

Kinder brauchen Kitas und Schulen, ältere Leute haben Pflege und Betreuung nötig. An alles würden die Projektmacher denken. Es gibt Pläne für Tagesmütter und -väter, für eine Pflegestation, für ein Café.

Das Erdgeschoß wäre Gemeinschaftsraum, die erste Etage bliebe Familien vorbehalten, die zweite Etage gehörte der dritten Generation, die obere Etage den noch Berufstätigen.

Wohnungen sind mit zwei bis fünf Zimmern konzipiert, es gibt die Option für Gäste-Appartements und für familiäre Veränderungen bei den Genossenschaftlern. Jede Etage soll einen Gemeinschaftsraum haben, über dessen Verwendung die Etage selbst entscheidet. Er könnte Werkstatt, Fitnessraum oder Spielzimmer sein.

Wenn doch nur ein Grundstück gefunden werden könnte.

Die 35 Genossenschaftler haben sich in sechs Arbeitsgruppen organisiert.
Petra Thomas gehört zur AG Information. Über zoom-Calls erklärt sie auch bundesweit Interessierten das Projekt, das ökonomisch, ökologisch und sozial komplett in die Zeit passen würde, Familien Großeltern schenken würde, ältere Mitbürger vor Einsamkeit schützen könnte, allen eine Aufgabe gäbe und flexibel auf Veränderungen reagieren könnte, wenn doch irgendwo in Dresden ein Grundstück gefunden werden könnte.

Mehr Infos zur Genossenschaft
null bis hundert – Generationenwohnen mit Pflege 

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Unsere größten Probleme sind die Sprache und das Wetter

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Unsere größten Probleme sind die Sprache und das Wetter

Diesen Text habe ich für Kultur Aktiv e.V. im Projekt Dresdner Nachbarschaften geschrieben

Manasi kommt aus Indien und wohnt schon ein paar Jahre mit ihrer Familie in Dresden. Ihr Sohn wird bald im Gymnasium weiterlernen. Heute üben wir gemeinsam das Gedicht von Heinrich Seidel, „Das Huhn und der Karpfen“. Es mirakelt und spektakelt lautstark und es macht uns Spaß, zu spielen. Doch Shrirang kann noch mehr. Er beherrscht Marathi, seine Muttersprache und die seiner Eltern und Englisch. Außerdem kann Shrirang in Hindi Episoden aus der indischen Geschichte spielen und erzählen. Und alles ist für ihn selbstverständlich.

Vor vier Jahren haben Manasi und ihr Mann, gemeinsam mit zwei, drei weiteren indischen Familien eine Initiative gegründet, in deren Rahmen sie ihren Kindern und allen Interessierten Geschichte und Geschichten aus Indien präsentieren sowie Yoga praktizieren.

Ihre Veranstaltung nennen sie “Vrindavan Shakha” und alle Nachbarn sind herzlich eingeladen. Begonnen haben sie in den jeweiligen Wohnungen. Inzwischen werden Turnhallen gemietet, weil über 100 Besucher kommen. Deutschlandweit gibt es 18 Gemeinschaften, in 15 europäischen Ländern über 100.

Wir wollen uns verbessern

Besser werden, bedeutet für die Interessierten dieser Treffen, mit vielen kleinen Dingen etwas Großes zu schaffen. Schon zweimal hat die indische Community mit ihren internationalen und deutschen Freunden die Elbwiesen gereinigt, sind sie mehrfach mit Spenden an die ukrainische Grenze gefahren, um den Menschen zu helfen und vieles mehr. Alles passiert freiwillig. Wer Zeit hat, kommt. Idee der Gründung war, dass die Kinder indischer Eltern, die in Deutschland geboren werden, ihre Bindung zur indischen Kultur ganz neu entwickeln müssen. „Die ganze Welt ist eine Familie. Das glauben wir und versuchen es in Vrindavan Shakha zu praktizieren“, sagt Manasi.

Und doch, in Deutschland ist vieles anders, Mentalität, Essen, Sprache, Wetter. Wobei letzteres die allergrößte Herausforderung ist.

Indische Pünktlichkeit

Was auch immer die Klischees erzählen, hier stimmen sie nicht. Die Veranstaltung beginnt pünktlich und sehr diszipliniert. Die Anwesenden stehen in vier Reihen hintereinander. Es ertönen Anweisungen und aufgrund des Halls in der Turnhalle ist es beim ersten Mal Dabeisein nicht möglich, alles zu verstehen. Die Kommandos werden in Sanskrit, einer der ältesten Sprachen der Welt gegeben. Es wird aber auch in Englisch und Hindi gesprochen.

Was auf mich nahezu militärisch wirkt, sind Ordnung und Disziplin und für die nun in Reihe im Lotussitz Sitzenden scheinbar völlig normal.

In einer bestimmten Reihenfolge spielen Kinder unterschiedlicher Altersgruppen, sowie Erwachsene mit und ohne Kostüm Episoden aus der indischen Geschichte. Dazu wird gesungen und auch getanzt.

Danach wird zu verschiedenen Themen diskutiert. Auch diese Zeit wird vorher kommuniziert und ist ganz klar z.B. auf 30 Minuten begrenzt. Die Community identifiziert sich mit den jeweiligen Problemen des Gastlandes. Meine Sorgen, deine Sorgen gibt es nicht. So gesehen passt es prima, wenn sich Einheimische daran beteiligen. Schließlich sind es unsere Sorgen, die besprochen werden müssen. Bei gutem Wetter werden später draußen traditionelle Spiele gespielt.

Charakterstärke, Wissen und Handeln

Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass es ethisch internationalen Konsens zu vielen Werten gibt. Für andere da zu sein, sich zu helfen und im besten Sinne anständig zu sein, gilt international. Stehlen, Morden, Lügen wird von der Gemeinschaft überall geächtet, und zwar unabhängig von Glauben oder Religion. Was zählt, sind für Manasi und ihre Mitstreiter, dass man nicht nur über etwas redet, sondern auch ins Handeln kommt, offen für andere bleibt und sich mit Respekt begegnet.

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Langnasen können das nicht

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Foto:Yvonn Spauschus

Langnasen verstehen das nicht

Diesen Text habe ich für Kultur Aktiv e.V. im Projekt Dresdner Nachbarschaften geschrieben

Aus Sicht seiner chinesischen Frau wird Andreas Opfermann die Feinheiten der Kampfkünste nie verstehen. Doch ihre anfänglichen Zweifel zerschlugen sich schnell.

Seit zehn Jahren trägt er sogar nahezu täglich die traditionelle chinesische Kleidung. “Sie ist locker und leicht. In dieser Kleidung steckt die Erfahrung tausender Jahre. Es gibt keinen Grund, das zu ignorieren. Im Sommer kühlt sie und im Winter wärmt sie. Intelligenter geht es nicht.”

Für Andreas gehörte Tai-Chi schon während des Studiums zum Lebensgefühl. Inzwischen praktiziert er Qi Gong, Bogenschießen, Kalligrafie, zelebriert die Teezubereitung meisterhaft und gibt sein Wissen an Interessierte weiter.

Wer möchte, lernt zu verstehen, dass es einen Unterschied gibt zwischen der inneren Kultur und den äußeren Formen der Techniken. “Alles, was wir lernen, kultiviert uns und irgendwann verstehen wir das Zusammenspiel der Details und deren Komplexität.”

Konfuzius sagt, bleib neugierig

Naja, Konfuzius wählte andere Worte. „Bildung schafft Vertrauen. Vertrauen schafft Hoffnung. Hoffnung schafft Frieden.“

Und seit 2003 kümmert sich Andreas als Gründungsmitglied des Chinesisch-Deutschen Zentrums um Bildung und Vertrauen. In den unterschiedlichen Projekten ist er damit auch nicht allein. Das Team wächst und das Interesse an der Kultur auch, an den Kulturen. Denn chinesische junge Leute finden wiederum deutsche Selbstverständlichkeiten exotisch.

Blumenkästen sind so spektakulär schön

Besonders in Nordchina ist es nahezu unmöglich oder unendlich kostspielig, sich den Luxus der Blumen auf dem Balkon zu gönnen. Das Klima ist zu trocken und zu windig. In Nordchina werden Balkons pragmatisch genutzt, zum Wäschetrocknen.

Andreas Schwiegereltern haben einen kleinen Balkon mit ein paar Jasmin- Pflanzen. Das allerdings nur, weil die Blüten den Tee aromatisieren, den man dort leidenschaftlich gerne trinkt.

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Rückblicke – Einblicke – Ausblicke

Rueckblicke1

Rückblicke – Einblicke – Ausblicke

2022, ein Jahr, dass möglichst schnell zu Ende gehen soll. So das erste Gefühl. Das macht das Weltgeschehen.

Denn privat liefs gut. Kinder und Enkel haben Meilensteine gemeistert, sind gewachsen und gewachsen im Sinne der Persönlichkeit. Im Job arbeitet es sich gut. Es gab viel zu lernen, zu geben, zu entdecken. Im Sport läufts auch wieder. Laut FitnessApp hab ich Diamant-Status. Damit, so die markige Beschreibung, würde mir nichts mehr etwas anhaben können. Das Immunsystem sei intakt. Danke dafür. Eine Woche später war die Stimme weg. Weil es doch etwas viel war, weil ich auf Signale nicht hören wollte, weil mir die Worte fehlen bei himmelschreiendem Blödsinn.

Und nun, ich schaue nach vorn. Ich freue mich auf die nächsten Aufgaben, ich laufe wieder Marathon, ich packe das Leben beim Schopfe. Und du so?

Wenn du dir nicht sicher bist, wohin die Reise gehen soll, leg eine Hand auf ein Blatt Papier, zeichne deine Finger mit dem Bleistift ab, so, wie früher als Kind.

Und dann geh die fünf Fragen für dich durch:

  1. Wofür gebe ich für mich Daumen hoch?
  2. Worauf möchte ich mich selbst hinweisen?
  3. Was steht bei mir im Mittelpunkt?
  4. Was ist das Wertvollste für mich?
  5. Was kam bisher für mich zu kurz?

Jetzt hast du die Antwort, die keine Ausreden braucht und den besten Vorsatz für 2023.
Probier’s mal.