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Unsere größten Probleme sind die Sprache und das Wetter

Diesen Text habe ich für Kultur Aktiv e.V. im Projekt Dresdner Nachbarschaften geschrieben

Manasi kommt aus Indien und wohnt schon ein paar Jahre mit ihrer Familie in Dresden. Ihr Sohn wird bald im Gymnasium weiterlernen. Heute üben wir gemeinsam das Gedicht von Heinrich Seidel, „Das Huhn und der Karpfen“. Es mirakelt und spektakelt lautstark und es macht uns Spaß, zu spielen. Doch Shrirang kann noch mehr. Er beherrscht Marathi, seine Muttersprache und die seiner Eltern und Englisch. Außerdem kann Shrirang in Hindi Episoden aus der indischen Geschichte spielen und erzählen. Und alles ist für ihn selbstverständlich.

Vor vier Jahren haben Manasi und ihr Mann, gemeinsam mit zwei, drei weiteren indischen Familien eine Initiative gegründet, in deren Rahmen sie ihren Kindern und allen Interessierten Geschichte und Geschichten aus Indien präsentieren sowie Yoga praktizieren.

Ihre Veranstaltung nennen sie “Vrindavan Shakha” und alle Nachbarn sind herzlich eingeladen. Begonnen haben sie in den jeweiligen Wohnungen. Inzwischen werden Turnhallen gemietet, weil über 100 Besucher kommen. Deutschlandweit gibt es 18 Gemeinschaften, in 15 europäischen Ländern über 100.

Wir wollen uns verbessern

Besser werden, bedeutet für die Interessierten dieser Treffen, mit vielen kleinen Dingen etwas Großes zu schaffen. Schon zweimal hat die indische Community mit ihren internationalen und deutschen Freunden die Elbwiesen gereinigt, sind sie mehrfach mit Spenden an die ukrainische Grenze gefahren, um den Menschen zu helfen und vieles mehr. Alles passiert freiwillig. Wer Zeit hat, kommt. Idee der Gründung war, dass die Kinder indischer Eltern, die in Deutschland geboren werden, ihre Bindung zur indischen Kultur ganz neu entwickeln müssen. „Die ganze Welt ist eine Familie. Das glauben wir und versuchen es in Vrindavan Shakha zu praktizieren“, sagt Manasi.

Und doch, in Deutschland ist vieles anders, Mentalität, Essen, Sprache, Wetter. Wobei letzteres die allergrößte Herausforderung ist.

Indische Pünktlichkeit

Was auch immer die Klischees erzählen, hier stimmen sie nicht. Die Veranstaltung beginnt pünktlich und sehr diszipliniert. Die Anwesenden stehen in vier Reihen hintereinander. Es ertönen Anweisungen und aufgrund des Halls in der Turnhalle ist es beim ersten Mal Dabeisein nicht möglich, alles zu verstehen. Die Kommandos werden in Sanskrit, einer der ältesten Sprachen der Welt gegeben. Es wird aber auch in Englisch und Hindi gesprochen.

Was auf mich nahezu militärisch wirkt, sind Ordnung und Disziplin und für die nun in Reihe im Lotussitz Sitzenden scheinbar völlig normal.

In einer bestimmten Reihenfolge spielen Kinder unterschiedlicher Altersgruppen, sowie Erwachsene mit und ohne Kostüm Episoden aus der indischen Geschichte. Dazu wird gesungen und auch getanzt.

Danach wird zu verschiedenen Themen diskutiert. Auch diese Zeit wird vorher kommuniziert und ist ganz klar z.B. auf 30 Minuten begrenzt. Die Community identifiziert sich mit den jeweiligen Problemen des Gastlandes. Meine Sorgen, deine Sorgen gibt es nicht. So gesehen passt es prima, wenn sich Einheimische daran beteiligen. Schließlich sind es unsere Sorgen, die besprochen werden müssen. Bei gutem Wetter werden später draußen traditionelle Spiele gespielt.

Charakterstärke, Wissen und Handeln

Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass es ethisch internationalen Konsens zu vielen Werten gibt. Für andere da zu sein, sich zu helfen und im besten Sinne anständig zu sein, gilt international. Stehlen, Morden, Lügen wird von der Gemeinschaft überall geächtet, und zwar unabhängig von Glauben oder Religion. Was zählt, sind für Manasi und ihre Mitstreiter, dass man nicht nur über etwas redet, sondern auch ins Handeln kommt, offen für andere bleibt und sich mit Respekt begegnet.

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